Rede aus dem Landtag Schleswig-Holstein im Original:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Nachrichtenlose Bankkonten, herrenlose Bankkonten oder unbewegte Bankkonten. Worum geht es eigentlich?
All diese Begriffe beschreiben Konten, bei denen der Kontakt zwischen Kreditinstitut und Eigentümerin, bzw. Eigentümer aus unterschiedlichen Gründen verloren gegangen ist und auf denen über einen langen Zeitraum keine Bewegungen, also keine Transaktionen erfolgt sind.
Grundsätzlich haben Kreditinstitute die Guthaben ihrer Kunden als Verbindlichkeiten in ihrer Handelsbilanz zu passivieren. Stellt eine Verbindlichkeit jedoch keine wirtschaftliche Belastung, also keine Außenverpflichtung für das Kreditinstitut, mehr dar, dann hat – entsprechend der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) – eine Passivierung zu unterbleiben. Das ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann der Fall, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit der Geltendmachung der Forderung durch die Gläubigerin oder den Gläubiger zu rechnen ist. Für Bankguthaben auf einem Konto wird dies im Regelfall angenommen, wenn das Konto seit mehr als 30 Jahren nicht bewegt worden ist.
Wird eine Forderung, die dem Grunde und der Höhe nach bekannt ist, wieder geltend gemacht, dann lebt die Außenverpflichtung wieder auf und die Nichtpassivierung muss wieder rückgängig gemacht werden.
Gleiches gilt im Grundsatz auch für die Steuerbilanz. Die Nachrichtenlosigkeit spielt für die steuerbilanzielle Einordnung keine Rolle. In der Steuerbilanz sind Verbindlichkeiten aus Kundeneinlagen, die über einen längeren Zeitraum hinweg weder Ein- noch Auszahlungen aufweisen, spätestens nach 30 Jahren gewinnerhöhend auszubuchen. Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung die Ausbuchung erst nach 30 Jahren verlangt. Es steht den Kreditinstituten jedoch frei, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, diese Verbindlichkeiten bereits zu einem früheren Zeitpunkt steuerbilanziell auszubuchen.
Der Anspruch der Kundin oder des Kunden auf Auszahlung des Guthabens wird davon nicht berührt und zivilrechtlich besteht auch keine Möglichkeit für ein Kreditinstitut, ein Konto allein aufgrund seiner „Nachrichtenlosigkeit“ einseitig aufzulösen. Eine ordentliche Kündigung eines Bankkontos setzt den Zugang der Kündigung bei der Kundin, dem Kunden oder dessen Rechtsnachfolge voraus. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser Zugang auch durch öffentliche Zustellung bewirkt werden. Die Ermittlung der richtigen Anschrift obliegt dem Kreditinstitut. Im Klartext bedeutet das:
Der Person, der das Geld auf dem sogenannten nachrichtenlosen Konto gehört, steht dieses Geld auch uneingeschränkt zu. Das ist höchstrichterlich entschieden und daran kann und darf nicht gerüttelt werden!
Für uns in der Jamaika-Koalition ist aber auch klar, dass die Kreditinstitute sich das Guthaben auf solchen Konten nicht einfach einverleiben sollen. Wir halten es vor diesem Hintergrund für sachgerecht, wenn auch unter höchster Anstrengung kein Eigentümer zu ermitteln ist, das dann solche nachrichtenlosen Bankkonten in ein zentrales Register aufgenommen werden und die Guthaben, auf zwei von der KfW verwaltete Fonds überführt werden. Diese sollen hälftig für gemeinnützige Zwecke und hälftig als Risiko-Startkaptal für Start-Ups genutzt werden.
So wird eine Gewinnerhöhung bei dem jeweiligen Kreditinstitut vermieden, die Mittel – im Raum stehen immerhin zwischen 2 Mrd. Euro und 9 Mrd. Euro – werden sinnvoll genutzt und die Rechte der Eigentümerinnen und Eigentümer oder deren Erben bleiben unberührt. Denn diesen wird über das Register auch nach Überführung die Möglichkeit gegeben, auf ihre Guthaben zuzugreifen.
Bisher fristet das Thema „nachrichtenlose Konten“ eher ein Schattendasein. Umso wichtiger ist es, endlich eine sinnvolle und rechtssichere Struktur für den Umgang mit solchen Konten zu schaffen.
In diesem Sinne freue mich auf die Diskussion im Finanzausschuss.